Das war die Frage, als ich mich heute Abend entschied, „Mit Burnout durch den Wald“ in einem öffentlich rechtlichen Rundfunkprogramm zu sehen. Burnout an sich ist ja sowieso schon eine schwierige Sache und wird von vielen zweischneidig betrachtet. Es ist ja keine Krankheit („nein, ist es nicht?“), doch es einfach als Symptom bezeichnen geht ja auch nicht, denn Burnout zeigt sich ja mit vielen Gesichtern. Das dann in einem 90-Minuten- Unterhaltungsfilm nach der Tagesschau (ups, nun ist es mir doch rausgerutscht) in einem der Hauptabendprogramme aufzugreifen, fand ich gewagt. Nun gut, wer lesen kann und eine Programmzeitschrift zur Hand nimmt (oder wie in meinem Falle Couchfunk befragt), weiß im Vorfeld, dass der Film dem Genre Comedy zugeschlagen wird. Heißt also, irgendwas wird nicht ganz ernst genommen bzw. auf eine heitere Art und Weise dargestellt werden. Damit war ich zumindest etwas vorbereitet. Dass es nun sogar darin mündet, dass ich darüber schreibe, wusste ich vorher nicht. (Dass es so lang wurde, auch nicht.)
Die Vorgeschichte: Wer Burnout schon einmal sah
Normalerweise ist das nicht mein Genre, Filmkritiken – nur zu diesem Thema habe ich ein ganz besonderes Verhältnis. Nicht nur, dass ich vor Jahren schon einmal den Fragebogenentwurf einer Coach gegengelesen habe (und probehalber auch beantwortet,) ich habe auch genug unterschiedlichster Burnout Situationen bei verschiedenen Menschen beobachten können, um hier einfach sehr hellhörig zu sein. Nicht umsonst war ich mehr als ein Jahrzehnt im Thema Arbeits- und Gesundheitsschutz Herausgeberin und Chefredakteurin und habe mich ausgiebig mit dem Problemen und Folgen befasst – und zwar für beide Seiten, die Betroffenen und ihre Umgebung. Vor Jahren stieß ich so auch auf einen ehemaligen Mitabiturienten, der in einer Reportage plötzlich ganz präsent vor mir auf dem Bildschirm erschien und seine langwierige Auseinandersetzung mit dem Anerkennen der eigenen Betroffenheit durch Burnout, dem Überwinden und die langsame Rückkehr ins – nun ja, ich möchte eigentlich gar nicht – NORMALE Leben dazu sagen, aber es ist schwer einen anderen Begriff zu finden, schilderte. Ihr wisst ja, wenn da plötzlich ein Bekannter – und sei es noch so lange her, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben – als Burnout-Geplagter vor einem steht, sieht jeder das Ganze unter einem anderen Licht. So ging es auch mir. Und in meiner näheren Umgebung habe ich auch schon einige Situationen erlebt, in denen mir vertrautere Menschen damit kämpften, sich diese Überlastung einzugestehen und zu lernen, damit und mit sich anders umzugehen. Was bei allen jedoch – egal wer, egal wo egal mit welchen Symptomen – gleich war: Burnout überwinden ist keine Angelegenheit von 90 Minuten.
Es geht um Burnout – in einem Genrefilm?
Am Anfang stand für mich auch noch die Frage: wie bringt ein Autor so ein Thema in einem Film, ohne der Problematik Schaden zuzufügen. Ja, wirklich, das war mein Gedanke, als ich die Beschreibung las. Darin gab es immerhin eine Passage, die versprach, dass die Ausgangssituationen der sechs Menschen, die hier exemplarisch für die verschiedensten Betroffenen zu einer Kur in den Wald geschickt wurden, dem Fernsehzuschauer einen ungeschminkten Eindruck vermitteln sollte. Nun ja. Ok, ich lasse mich darauf ein, für einen Fernsehfilm mit dem Genre Comedy muss es wohl ein wenig überzeichnet sein. Daher also der typische viel zu junge Manager mit blonder attraktiver Assistentin, die ihm Termine vorliest ( von Smartphone ist zwar später mal die Rede, aber anscheinend benutzen das Manager nicht für die eigene Terminverwaltung…ein Schelm der hier schon Böses denkt. Das Rentnerpaar, das anscheinend bereits jahrelang aneinander vorbei lebt und ebenso extrem gezeichnet wird oder die – tut mir leid, Lehrer haben m.E. als Alleinerziehende einfach eine besondere Situation und gegenüber anderen Alleinerziehenden doch gewisse Vorteile – mit Großeltern in der Stadt gesegnete Lehrerin, die ausgebrannt ist. Und der seit 8 Jahren Arbeitslose, der für den Besuch bei der Arbeitsagentur in ein Hotdog-Kostum gesteckt wird. Ach ja, hab ich neulich erst gesehen, wie da einer Gutscheine verteilt hat, auf der Kaufinger Straße. Nicht. Oh böse, dann natürlich auch noch die Ewige-Praktikantin, damit auch dieses Klischee ebenfalls bedient wird -wobei das nicht heißen soll, es gäbe sie nicht, die junge, kreativen, die sich ausbeuten lassen (müssen), weil es keinen festen Job gibt und sie wenigstens ein wenig das tun wollen, was sie studiert/gelernt haben und einen Einstieg in den Beruf finden wollen. Wer sich jetzt noch nicht denken kann, wie ich mich fühlte, dem sage ich es gerne – ich war schon vom Einstieg sprachlos, genauer gesagt ich dachte mir: „Na das kann ja heiter werden“. Und im zweiten Gedanken: „Ich weiß nicht, ob das Öffentlich Rechtliche den tausenden Betroffenen einen Gefallen damit tut.“
Was ich gesehen habe, macht mich sprachlos
Langer Rede kurzer Sinn: Ich kam am Ende zu einem eindeutigen Ergebnis. Tut es nicht. Nach meinem erstarrten Schweigen direkt nach dem Film sage ich jetzt, nach reiflichem Überlegen, auch gerne, warum. Ich glaube sogar, es reicht, das Ende des Film zusammenzufassen, damit klar wird, warum der Versuch, einen dramatische psychische Belastung vom Menschen in 90 Minuten verarbeiten zu wollen anhand von 6 völlig verschiedenen Typen scheitern muss – noch dazu als Comedy. Schwarzer Humor, das wäre für Betroffene fast noch besser als Comedy – ganz ehrlich, das ist meine Meinung. Denn kaum ein Burnout-Patient kann darüber lachen, dass ihn die (Arbeits-)Welt so gefangen gehalten hat, dass er sich und sein Wohlergehen darüber vergessen hat und daran zusammenbricht.
Ganz zu schweigen von dem Bild, das solch ein Film bei Unbeteiligten hinterlässt: Burnout-Kranke einfach mal in de Wald auf Safari schicken und übernächtigt was machen lassen und dann ticken die schon wieder richtig danach. Ist doch alles halb so schlimm, wie die das immer aufputschen. Überhaupt, die sollen sich mal nicht so haben… Jaja, ich weiß, „so denkt dann doch nicht jeder, wir sind doch alle sensibilisiert etcetc.“ – Doch, glaubt mir, wenn sich wer erinnert, dann an die Happy-End-Lösung, die im Film präsentiert wurde. Natürlich gab es noch viel mehr krude Szenen, beispielsweise wurden Männlein und Weiblein gemeinsam auf Zimmer gesteckt, nicht nur, dass sie sich nicht vorher kannten, nein, natürlich haben sie ja auch charakterlich gegensätzlich funktioniert. Dann gab es auch noch die Revolte der Patienten, in der sie ausrissen und dabei – natürlich – ihre aufgrund des Burnouts entwickelten Verdrängungs- und Kompensations-Handlungen selbst entdeckten…
Ach – ehrlich – ich verzweifle gerade, wenn ich das ganze nochmals rekapituliere. Lieber Autor, warum hast Du das getan? Und kurz vor Schluss haben wir dann auch noch das Happy-End von allen gezeigt bekommen, das neue Paar, das dem Manager Kinder, der Lehrerin einen Finanzwart beschert, der Rentner, der zwar alleine aber glücklich mit dem Reisemobil touren kann, seine dann Ex-Frau, die endlich loslassen konnte (sehr schön, den Strick über den Teich, in den sie dann gefallen ist – auch ich liebe diese Verbildlichung. Nicht), die Praktikantin, die den unterbezahlten nächsten Vertrag nicht unterschreibt und der Arbeitslose, der – juhu, wir greifen jedes Ex-Studentending wieder auf – als Taxifahrer unterwegs ist. Hab ich wen vergessen? Ach ja, die Therapeutin, die bekommt zum Überfluss, weil die Gruppe ja aus solchen Revoluzern bestand, nun selber einen Burnout-Kurs verpasst. Verzeihung, geht’s noch?!
Zum Schluss der Rant: ARD, ich bin enttäuscht von Dir
Nein wirklich, wer diesen Film gesehen hat, trotz Wissens um den Komödien-Charakter, der bekommt doch ein völlig falsches Bild. Burnout? – Ja, eine Sachen von zwei?, drei Wochen, dann kommen die schon wieder klar. Ach ja, glückliche Menschen sind sie dann doch auch wieder, die müssen nur mal mit der Nase drauf gestoßen werden, dann geht das schon.
Und ich hoffe, dieser Spielfilm wird niemandem so deutlich in Erinnerung bleiben – es gab noch nicht mal einen Brennpunkt hinterher. Da hätte ich mir doch gerne einen Sendeplatz – auch wenn ich den nicht sehe – vor Günter Jauch gewünscht, der das dann wieder als Thema aufgegriffen hätte. Verzeihung, so einen Film kann ich nicht ohne Emotionen sehen und nicht ohne Aufklärung stehen lassen. Das hilft niemandem. Gerne hätte ich noch den Drehbuchautor befragt, wie seine Recherchen dazu ausgesehen haben, nur nachts um halb 1 ist das irgendwie schwierig. ich weiß auch gar nicht, ob Autor Markus B. Altmeyer und Regisseur Rowitz etwas dazu sagen können und wollen. Mit diesem Fernsehfilm ist der Autor, der laut Vita neben Film- und Fernsehwissenschaften auch Psychologie und Pädagogik studiert hat, zumindest laut seiner Projektliste erstmals so prominent im TV. Vielleicht hilft es ja für weitere Projekte, doch mal tiefer in die Materie einzusteigen… Verzeihung, falls ich da zu viel erwarte oder die Recherchen unterschätze, ich kann das nur aus quasi Betroffenensicht beurteilen, aber das zählt ja nicht, oder?
Falls ihr den Film sehen wollt, und Euch selbst ein Bild davon machen: die Blogspot-Blogseite des Autors, die auch nur den offiziellen Beschreibungstext des ÖR-Fernsehens beinhaltet, gibt noch zwei Termine an:
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02.09.2014 | 18:30 Uhr | Einsfestival
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03.09.2014 | 7:00 Uhr & 12:30 Uhr | Einsfestival
Das ist dann noch derARD-Spielfilm auf YT-link, weiss aber nicht, wie lange der funktioniert 😉
Doch auch das finde ich befremdlich.
Liebe Su, vielen herzlichen Dank für deine Rezension. Ich habe es nicht gesehen. Bewusst. Diese Entscheidung ist bei mir gefallen, als ich die Vorankündigung in meiner Programm-App gelesen habe. Mir wäre es beim Betrachten vermutlich genauso wie dir gegangen.
Für mich bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es – wenn überhaupt – nur noch ernstzunehmende Reportagen und Dokumentationen im öffentlich rechtlichen Fernsehen weit nach 23:00 Uhr gibt. Der Rest ist Bildzeitungsniveau. Wie ausgerechnet genau in dieser Woche zu betrachten war (Marktcheck, Frontal) …
Dieses wirklich sehr komplexe Thema kann man kaum aufbereiten, so dass Menschen, die noch nie in ihrem Leben irgendwie einen Berührungspunkt zu Burnout hatten, Verständnis oder eine neue Sichtweise entwickeln, wenn klischeehaft ausgesuchte Personen „portraitiert“ werden – noch dazu diese Vielzahl von Menschen und das innerhalb von 90 Minuten.
Herzlichen Dank – dein Artikel bewahrt mich davor, mir die Wiederholung anzusehen.
Lieben Gruß
Sabine
Danke Sabine – ich bin also nicht alleine mit meiner Meinung :), auch, wenn es leider traurig ist in Bezug auf das Thema. Ich hätte mir mehr erwartet – siehe letzter Absatz… Noch dazu kommt, dass es so NULL socialTV war – noch nicht mal inoffiziell, dass ich es gleich doppelt schlecht fand. ( Um mal Richard Gutjahrs These aufzugreifen, das SocialTV in 10 Jahren ganz anders aussieht. So, wie es im Moment aussieht, ist es jedenfalls übelst.)
Meine Liebe, klasse – ohne Dich wäre auf dieses Thema nicht aufmerksam geworden. Ich werde mir den Film heute Abend anschauen. Ach ja – und beim Mediathek Link steht jetzt, dass man den Film bis zum 5.9. dort anschauen kann.
Du bist ja jetzt vorgewarnt …
Herrlich! Aber ich finde, das unsägliche Filmchen hat so viel Aufmerksamkeit gar nicht verdient, das war billigste Vorabendstrickware nach Muster 0815, wie man es bei Büchern von ChickLit kennt: Irgendwie tolle Typen und schon vorher feststehende Paare mit hippen Berufen plus ein, zwei Loosertypen werden in eine angebliche Krise geschickt, um als Ehepaare oder sonstwie superglücklich und endlich wieder perfekt vor dem Traualtar oder wenigstens in einer In-Kneipe zu landen.
Dieses Schema kann man durchspielen mit Weinbergen, Modefirmen, gescheiterten Konditorinnen, unbemerkt werdenden Vätern und nun auch mit Burn-out. So what …
Ich frage mich, wer diese Filmchen überhaupt ernst nimmt. Die meisten essen halt dabei zu Abend, weil es während der Nachrichtensendungen zu ungemütlich ist.
Dass das Ganze mit Burn-out nichts zu tun haben konnte, merkte man schon am 4-Tage-Seminar. Vier Tage für eine Spontanheilung? Nein, das war keine Comedy, der Film war so lachhaft schlecht, die Dialoge schienen so gequält pädagogisch und nach Schreibratgeber gestückelt, dass er zur feinsten Satire aufs Genre selbst geriet.
Liebe Petra,
ich gebe Dir recht, dass es überhaupt nicht passt – doch es gibt meiner Meinung nach zu viele, die Burnout nicht wirklich ernst nehmen – und die bekommen so Futter. Darum konnte ich mir diesen Rant nicht verkneifen.
Liebe Su,
Bin durch deinen Facebook-Link auf den Film aufmerksam geworden und habe ihn in der Mediathek nachgeschaut.
Was ein unterirdischer Film.
Das einzige was das Anschauen noch einigermaßen ertraeglich machte, waren Schauspieler wie z. B. Martin Brambach, der aber wohl selbst ob der billigen und alten Witze im Drehbuch wie „ein Hamsterrad sieht von innen aus wie eine Karriereleiter“ einen gewissen Fremdschämeffekt verspürte.
Diesen hatte ich übrigens auch während des gesamten Films. Insgesamt wurde aber auch nun wirklich jedes Klischee ausreichend bedient und für meinen Geschmack wurde auch viel zu viel ins Wasser gehopst. Völlig sinnfrei übrigens, von anderen unrealistischen Szenen mal abgesehen.
Wenn man einen Zustand wie Burn-Out im Fernsehen dermaßen bagatellisiert darstellt, fürchte ich, wird sich auch in Zukunft nicht viel im Hinblick auf die realistische und wertschätzende Wahrnehmung dieser Krankheit tun.
Word. Drum bloggte ich. Danke, meine Liebe.