Als Kunstbegeisterte, Impressionisten- und Expressionisten- sowie #tweetup-liebende Medienschaffende war die Gelegenheit, die Degas-Ausstellung vor Eröffnung mit kuratierender Einleitung und kunstsinniger Begleitung in der staatlichen Kunsthalle Karlsruhe nicht entgehen.
Eine hervorragende Entscheidung, den Anti-Impressionisten auf jeden Fall zu besuchen, auch wenn ich leiderleider zum #tweetup der Kulturkonsorten am 14.11. keinen Absinth beim #TwitterSalon dort mittrinken kann…
Gleich vorneweg: Die Zusammenstellung der Werke – einschließlich der Leihgaben aus anderen Museen, die zum Teil erstmals ihre Heimatländer verließen – zeigt Zusammenhänge auf, die beispielsweise im Musée d’Orsay so gar nicht möglich sind aufgrund der epochalen Sortierung.
Anti-Impressionist? Das kann doch nicht sein.
Das ist überhaupt das Besondere an der Ausstellung: sie ermöglicht, Bilder nicht alleine oder in einer Schaffensphase zu sehen, sondern in einer Chronologie. Dabei werden beispielsweise aus spartanischen Frauen eines Frieses, 1861 gemalt, später Balletttänzerinnen. Wer bei Degas sowieso nur an Balletttänzerinnen denkt, liegt allerdings falsch. Er war zu seiner Zeit ein Beobachter und Portraitist modernen Lebens – mit traditionellen Methoden. Alles, was Degas an Alltagsszenen malte, entstand in seinem Atelier. Bügelstube, Krankenstation, Büro oder andere vermeintlich authentische Orte sind nur Kulisse für seine Portraits. Was wirkt, wie eine spontane Beobachtung ist reine Imagination, er hatte sogar für die verschiedenen Figuren ein einziges Modell, dass er in entsprechenden Posen in Szene setze. 1872 dienten die Spartanerinnen wieder als Vorlage – diesmal für die Szene in der „Gesangsprobe“ die wiederum eine gutbürgerliche Stube als Kulisse hatte. Dabei arbeitete er im Stil der Impressionisten – aber eben beispielsweise mit erfundenen Umgebungen. Ein besonderes Thema sind Landschaften. Auch diese entspannten in seinem Kopf, bevor sie auf die Leinwand kamen. Reine Paissage-Stilleben oder ähnliches waren nie sein Ding. Dafür gibt es wunderschöne schon wieder expressionistisch anmutende Phantasielandschaften, die der Künstler seiner schlechten Augen wegen – die Sonne blendet ihn – alleine in seinem Atelier zauberte. Die Monotypien der Ausstellung sind wahre moderne Bilder, denen man das Alter nicht wirklich ansieht. Insofern ist Degas natürlich Impressionist, der seine Bilder im Kopf entstehen liess und dann erst auf die Leinwand brachte.
Und was hat Degas mit Storytelling zu tun?
Schon ist die Kommunikatorin in mir erwacht, die im Künstler Degas einen wunderbaren Storyteller sieht. Wenn er Bilder im Kopf komponiert, dann reale Elemente nutz und visionäre Interpretationen einbaut, die eine Geschichte erst glaubhaft und interessant machen, ist er mehr als ein Maler… Mein Ausflug in die Impressionisten-Kunst ist also gar nicht so weit weg vom aktuellen Thema. Jetzt müsste ich eigentlich gleich abschweifen und in die Kleine Kunsthalle gehen, die wunderschön für Kinder aufbereite und zum Anfassen und Mitmachen eine Begleitausstellung inszeniert hat.
Ja, inszeniert, denn der Ballettraum ist eine einzige transmediale Storytelling-Bühne, die nicht nur Bilder im Kopf zaubert sondern zur eigenen Kreativität anregt. magnetWand und Fragmente soweie Schibeflächen verschaffen zudem neue Blickwinkel auf Ausschnitte und Komposition. Das besondere Tüpfelchen auf dem i gibt es im Obergeschoss: Während der gesamte Ausstellungszeit werden drei Künstler ihre Ateliers in den Räumen dort haben und sich über die Schulter sehen lassen. Ich bin gespannt, was sich da tut…
Draussen? Ich bin raus.
Draussen zu arbeiten war, wie bereits gesagt, nicht seine Art, dennoch gab und gibt es viele Jockey-Bilder. Auch die Reitszenen entstanden aus Studien bzw. aufgrund von Kopierarbeiten, die er während seiner ganzen Schaffenszeit wiederholte und verfeinerte, im Atelier versteht sich, keinesfalls bei direkter Studie der Tiere vor Ort. Zwar ging er später schon auf die Rennbahn – doch da gab es längst die Bilder. Aus dem Ausstellen in Salons verabschiedete er sich ebenfalls bald – er war sozusagen raus aus dem Thema.
Dennoch gewann er die Aufmerksamkeit mit seinen mit klassischen Mitteln gestalteten modernen Szenen – allen voran den Ballett- und Jockey-Studien. Eigentlich ist das nur ein Bruchteil seines Schaffens, mit dem er in der Öffentlichkeit berühmt wurde. Und den er nutzte, um ganz Kaufmannssohn, dem Geschmack und Wunsch der Kunden zu entsprechen. Allerdings verkaufte er nicht inflationär viele Bilder eines Typs, sondern wusste zu dosieren. So konnte er konsequent und gewinnbringend seinen eigenen Wert steigern. Nicht zuletzt, weil er nach dem Tod des Vaters den erklecklichen Schuldenberg der Familie zunächst abtragen musste, kamen seinen Pläne für ein eigenes Museum mit den wiederum von ihm gesammelten Werken anderer Künstler nicht über das Anlegen einer Sammlung hinaus.
Spannend sind auch seine fotographischen Versuche, ganz besonders das ironisierende Tableau vivante, in dem er augenzwinkernd mit Freunden ein Bild von Ingres nachstellt und als Fotographie dokumentiert.
Bilder sind nicht genug? Es gibt auch mehr!
Auch das Begleitprogramm kann sich sehen lassen, 4 Konzerte, Vorträge und auch eine Balettvorführung der jungen Tänzer, die in der Kleinen Kunsthalle ihre Audio-Eindrücke der Materie zur Verfügung stellen.Und ja, eigentlich bin ich erst nach dem Rundgang durch die Ausstellung in die Kleine Kunsthalle gegangen, in netter Begleitung für die ich mich gerne hier bedanke: Nicht nur bei Dr. Sibylle Brosi, verantwortlich für das Programm der Kleinen Kunsthalle, die mit unverkennbarer Begeisterung für die Konzeption und die „kleinen“ Kunden alle Stationen für Kinder vorstellte, auch bei Georg Patzer, der sich hinterher sogar noch aus Autor eines Verlages, mit dem ich demnächst mehr zu tun haben werde, entpuppte. Dieser echten Karlsruher Geschichte-Koryphae sei hier ein „Danke für die nette ortskundige Begleitung auf dem Weg dorthin!“ geschuldet.
Ansonsten: Hingehen lohnt. Auch ohne Tweetup. Bis 1.Februar 2015
Georg says
Gern geschehen, meine Liebe…